Auf den Spuren der deutsch-französischen Vergangenheit

Für die Französischschülerinnen und -schüler der Klassen G9 und R9 wurde als Alternative zum Schüleraustausch eine Fahrt in die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Albert Schweitzer nach Niederbronn-les-Bains in Frankreich angeboten. Dort lernten sie nicht nur die Fremdsprache und die Kultur des Nachbarlandes kennen, sondern erlebten auch die gemeinsame Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Europäischen Union hautnah. Neben der Erkundung der anliegenden Kriegsgräberstätte und des Hartmannswillekopfes wurden die Städte Straßburg und Colmar besucht und verschiedene Angebote der JBS wahrgenommen. Begleitet wurden die Jugendlichen von ihrer Lehrerin Carmen Asmus und ihrem Lehrer Julian Erdmann.

Nach einer Wanderung am ersten Abend, stand bereits mit dem Besuch des Europäischen Parlaments in Straßburg ein Höhepunkt auf dem Programm. Hier wurde klar, wie wichtig Eu­ropa für die Wahrung des Friedens ist, denn dort arbeiten derzeit 705 Abgeordnete aus 28 Nationen in 24 Sprachen daran. Neben der Bedeutung der architektonischen Bauweise, die für Transparenz und Offenheit steht, erfuhren die Jugendlichen, dass der Bau vier Jahre (1994-1998) dauerte und 300 Millionen Euro kostete. Neben einer Besichtigung des Plenarsaals, der übrigens der zweitgrößte Versammlungsraum der Welt ist, durfte ein Gruppenfoto vor den Länderflaggen, welche in alphabetischer Reihenfolge der jeweiligen Nationalsprache angeord­net sind, nicht fehlen. Erwähnenswert ist, dass in einer der Dolmetscherboxen des Plenarsaals bis zu 14 Sprachen gesprochen werden und bei unbekannten Sprachen über eine andere vermittelt wird.

Anschließend machte sich die Gruppe zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt und passierte dabei den Palais de Justice (Justizpalast), den Conseil d’Europe (Europarat) und den deutsch-französischen Fernsehsender ARTE. Vor einer Bootstour auf der Ill durch das malerische Vier­tel Petite France, durfte ein Besuch des Straßburger Münster, der romanisch-gotischen Ka­thedrale Notre-Dame, nicht fehlen. Abgerundet wurde der Besuch der Metropole durch einen Stadtbummel.

In der JBS wurden die Schülerinnen und Schüler am nächsten Tag von einem Mitarbeiter in die Arbeit des Volksbundes eingeführt und erfuhren, dass auf dem anliegenden Friedhof 15820 Personen begraben sind, darunter Soldaten, Zivilisten, Kriegsgefangene und auch Kriegsverbrecher. Ein Grabstein ist beidseitig mit jeweils zwei Namen versehen und steht so­mit auf vier Gräbern. Die Arbeit des VdK besteht heute nicht mehr allein darin, etwa 25.000 Tote jedes Jahr umzubetten, 30.000 Anfragen von Angehörigen zu bearbeiten, sondern zum Frieden zu mahnen und „in einer Zeit, in der wieder populistische Phrasen gedroschen werden und nationale Egoismen entstehen“ (Daniela Schily, ehem. Generalsekretärin des VdK) auf die Verantwortung Deutschlands für die beiden Welt­kriege aufmerksam zu machen. Während einer Führung über die Kriegsgräberstätte stellten die Jugendlichen fest, dass die Menschen, die dort bestattet sind, häufig nicht älter als sie selbst waren.

Auch das Lesen originaler Soldatenbriefe sowie Besucherhefte verschiedener Kriegsgräber­stätten, welche in einem eigens dafür entworfenen Schrank aus bois mitraillé (von Minensplit­tern verletztem Holz) aufbewahrt werden, stand auf dem Programm. Dazu erhielten die Jugendlichen Aufgaben, wie einen Kommentar zu einem Brief oder selbst einen Eintrag für ein Besucherheft zu verfassen. Anschließend bekamen sie die Möglichkeit, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Abgeschlossen wurde der Tag durch ein reichhaltiges Abendessen, dem typischen Elsässer Flammkuchen, der sowohl in herzhafter als auch in süßer Variante genossen wurde.

Beklommenheit und die Erkenntnis, wie sinnlos Kriege sind, entstanden am Donnerstag bei der Besichtigung des Nationalen Monuments am Hartmannswillerkopf in den Vogesen, wo am Ende des Ersten Weltkriegs erbitterte Kämpfe zwischen deutschen und französischen Einhei­ten um die Vorherrschaft in der Region stattfanden. Nach einem Besuch des anliegenden Mu­seums, welches über die bedrückenden historischen Hintergründe informiert, erkundigten die Schülerinnen und Schüler dieses Schlachtfeld zu Fuß.

Auf der Rückfahrt in die JBS wurde noch ein Abstecher in das pittoreske Städtchen Colmar gemacht, wo die für die Gegend typischen bunten Fachwerkhäuser des dortigen Gerbervier­tels Petite Venise bewundert werden konnten. Sowohl in Strasbourg als auch in Colmar wur­den die Jugendlichen von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern geführt, die für die Sehens­würdigkeiten Kurzreferate während der Projektwoche vorbereitet hatten.

Nach einer sonnigen Woche mit angenehmen Temperaturen ging die ereignisreiche Fahrt schließlich bei regnerischem Wetter zu ende.

Carmen Asmus