Er fühlte sich schon früh wie auf einem falschen Planeten, so beschreibt Jason von Juterczenka die ersten Tage im Kindergarten. „Ich war richtig, aber die anderen waren falsch.“ Was der 18-Jährige den beiden zuhörenden Klassen G10a und G10b am vergangenen Montag in der Aula erläuterte, ist das „Wrong Planet Syndrom“. Auf einem falschen Planeten gestrandet zu sein, die Regeln ihrer Bewohner nicht zu verstehen, so drücken Menschen mit Asperger/Autismus eher „scherzhaft“ ihr Anderssein aus.
Und genau darum und um noch viel mehr ging es in dem eineinhalbstündigen Gespräch, zum dem die beiden Deutschlehrerinnen der G10 Klassen Frauke Lackner, Christiane Melzer und Gymnasialleiter Dirk Weidmann Jason von Juterczenka eingeladen hatten.
Inhalt in den letzten Wochen des Deutschunterrichts waren ein Buch und ein Film, die beide in den letzten Jahren Erfolge feierten.
„Die Wochenendrebellen“ begann als regelmäßiger Blog, den Jasons Vater Mirco über seine Ausflüge mit seinem autistischen Sohn Jason in die Fußballstadien Deutschlands veröffentlichte. Ziel war für beide, dass Jason seinen Lieblingsverein suchen und finden könnte. Das war allerdings dann keine einfache Angelegenheit, denn Jason stellte Regeln auf, die es zu erfüllen galt.
Aus dem Blog entstand ein Buch, was sich lohnt zu lesen. Denn mit viel Herz geschrieben erfährt der Leser, die Leserin, wie schwer und durchaus auch kurios es ist, mit einem Menschen mit Asperger/Autismus zu leben.
Die Klassen interessierte, wie aus dem Buch schließlich ein Film wurde. Jason berichtete, dass auf das mittlerweile mehrfach ausgezeichnete Buch ein Drehbuchautor aufmerksam wurde und er in enger Absprache mit dem Autor schließlich dem Filmprojekt zustimmte.
Die Wochenendrebellen – der Film entstand.
Auf großes Interesse der Klassen stieß ebenfalls das Drehen des Films und alles, was dazu gehört. Jason berichtete, dass u.a. die Szene, in der er und sein Vater mitspielen, fast sechs Stunden dauerte bis sie „im Kasten“ war. Keine leichte Aufgabe. Des Weiteren zeigte Jason großen Respekt für die Rolle des kleinen Jungen, der im Film Jason darstellte. Noch heute habe er Kontakt zu ihm. Seine Familie, sein Vater und auch seine Mutter seien m Film realitätsgetreu darstellt worden. Auf die Mobbingsituationen, die der Film zeigte, angesprochen, erklärte Jason, dass sie in der Realität viel „krasser“ gewesen seien. „Junge Kinder sind einfach schlimmer“, so fast Jason es zusammen.
Nach dem Schulwechsel von der Grundschule in die HGS habe er versucht Distanz zu SchülerInnen aufzubauen, um Konflikten aus dem Wege zu gehen. Die Zeit in der Mittelstufe war zwar etwas einfacher, aber insgesamt auch keine leichte Zeit für ihn. Erst in der Oberstufe, in der Jason jetzt sein letztes halbes Jahr verbringt und im Frühjahr sein Abitur ablegt, entspannte sich für ihn das schulische Leben. Jason sagt über sich, dass „Freunde finden“ nie eine leichte Aufgabe war und Kommunikation schwierig sei, denn er kann unterschwellige Botschaften nicht entschlüsseln. Er erkennt keine emotionalen Verletzungen und Gefühlszustände sind fast egal. Das habe dann oft zu Missverständnissen geführt. Heute wissen seine Freunde über seine Besonderheiten Bescheid und berücksichtigen sie. Alles sei viel einfacher geworden.
Befragt nach seiner Zukunft, nach seinem „Traumleben“ antwortet der Abiturient, dass seine Zufriedenheit stark von der globalen Lage der Welt abhängig sei. Und die beschreibt er als desaströs. Vieles laufe falsch. Jason möchte Physik studieren und forschen. „Einen Beitrag für die Menschheit leisten“, das sei sein großes Lebensziel. Am Forschungszentrum CERN (Europäische Organisation für Kernforschung) in der Schweiz hat Jason bereits ein Schul-Praktikum absolviert. Somit ist er nah dran, an den großen Entwicklungen unserer Welt.
Die Frage eines Schülers nach Jasons möglicher Karriere als Politiker, in dessen Rolle er auch die Welt verbessern könne, antwortet er schnell, dass seine Kompromisslosigkeit dem im Wege stehen würde.
Die Geschichten um Jason, seinen Vater Mirco und die „Abenteuer“ der Wochenendrebellen gehen weiter. Diesmal haben beide gemeinsam an der Fortsetzung geschrieben. In „Chaos auf Augenhöhe“ erfährt der Leser, die Leserin wie es weitergeht nach 2016.
Eine Kostprobe des neuen Buches gab Jason von Juterczenka in der Kulturpause der HGS, was ca. 100 Schüler_Innen und Lehrer_Innen sehr interessierte.
Die HGS freut sich auf ein Wiedersehen mit neuen Erlebnissen der „Wochenendrebellen“ und interessantem Austausch mit diesem bemerkenswerten jungen Erwachsenen, der mit Intelligenz und Mut seine besonderen Herausforderungen bewältigt.
Wer noch mehr wissen will, der schaut nach unter:
Wochenendrebell.de
RHB